Wie kann in einer latent gefährlichen Situation die Konfrontation zufriedenstellend und unter weitgehender Wahrung der Integrität beider Parteien aufgelöst werden?
In einer konflikthaltigen Situation, in der ein Angriff unmittelbar bevor steht, aber noch nicht begonnen hat (hätte er begonnen, wäre eine Bewegung vorhanden, mit welcher der Aikidoka die Synchronisation sucht), hat der Aikidoka die Wahl, ob er den Streit aufhebt oder beim Kontrahenten den Angriff initiiert.
Im ersten Fall wird er aufmerksam warten oder gehen, im zweiten Fall offeriert er dem Angreifer ein lohnendes Ziel: der Aikidoka nimmt eine offene Körperhaltung ein, in welcher er eine Hand, einen oder beide Arme oder einen anderen Punkt seines Körpers als Ziel für einen Griff, Hieb oder Stich anbietet.
Ein wirklich angriffswilliger Kontrahent wird ein solches „Angebot“ kaum ausschlagen, denn er wird davon überzeugt sein und wird darin noch bestärkt, dass man einen „Krieg nur anfangen sollte, wenn man ihn auch gewinnen kann“.
Der Aikidoka kann dabei noch als zusätzliches strategisches Mittel die Initiative in der Bewegung einsetzen: Mit einer Bewegung in Richtung auf den potenziellen Angreifer zu, wird dieser mit größter Wahrscheinlichkeit unmittelbar seinen Angriff beginnen, weil dadurch das zeitliche Moment seines bereits gefassten Entschlusses zum Angriff verkürzt wird.
Der Vorteil liegt dabei auf Seiten des Aikidoka, da er einerseits auf den Angriff vorbereitet ist, dem Angreifer ein Ziel seiner eigenen Wahl bietet und darüber hinaus den Zeitpunkt des Angriffs bestimmt.
Trotz dieser Vorgehensweise bleibt der defensive Charakter des Aikido erhalten, denn das Anbieten einer Lücke zum Angriff, wie auch die initiative Bewegung auf einen potenziellen Angreifer zu, stellen an sich keine Offensive dar. Sie dienen aus Sicht des Aikido der positiven Kontrolle über die Situation unter Wahrung der Integrität beider Parteien.